La Gra­ve

Ein Nach­mit­tag im Ge­län­de

La GraveEs ist Sams­tag, der 9. März 2013. Wir ha­ben den VW-Bus auf ei­nem Park­platz an der Tal­sta­ti­on der Um­lauf­seil­bahn in la Gra­ve ge­parkt. Ich bin noch ziem­lich fer­tig von der über­lan­gen Fahrt, im­mer­hin fast 900 km, da­von 600 durch die Nacht. Wir ha­ben noch kei­ne Un­ter­kunft ge­fun­den, wol­len den Tag aber auch nicht ta­ten­los ver­rin­nen se­hen. Wir zie­hen uns um und ge­hen zur Gon­del. Mein Sohn hat zu Hau­se so ge­packt, dass wir nur ei­ne Ta­sche und zwei Ruck­sä­cke mit Ver­pfle­gung brau­chen, um als Ski­fah­rer per­fekt auf­ge­stellt zu sein.
La Grave*
Wir wis­sen sehr wohl, dass das Ski­ge­biet ir­gend­wie sku­ril ist. Der Ort war Ar­te im Rah­men der 40-tei­li­gen Se­rie «Frank­reichs my­thi­sche Or­te» ei­ne Fol­ge Wert. Char­mant prä­sen­tiert von Em­ma­nu­el La­bor­de war das be­son­de­re Kenn­zei­chen der Bei­trä­ge ei­ne Ka­me­radroh­ne, ein Mo­dell­hub­schrau­ber, der be­ein­dru­cken­de Luft­auf­nah­men lie­fer­te. Um 8 Uhr mor­gens aus­ge­strahlt war das ei­ne ech­te Al­ter­na­ti­ve zum zur Wie­der­ho­lung nei­gen­den Früh­stücks­fern­se­hen. Un­ter dem Link fand man frü­her auch ei­ne kur­ze De­mo in fran­zö­si­scher Spra­che mit ei­nem Aus­schnitt über la Gra­ve.
La Grave*
Cha­rak­te­ris­tisch für das Ge­biet ist die in zwei Sek­tio­nen auf­ge­teil­te und mit Zwi­schen­stopps fah­ren­de Um­lauf­gon­del im Rang ei­ner Luft­seil­bahn. Sie über­win­det ins­ge­samt 1700 Hö­hen­me­ter, er­for­dert das Um­stei­gen in der Mit­tel­sta­ti­on und be­nö­tigt 45 Mi­nu­ten bis oben. Die un­te­re Sek­ti­on ist wie­der­um in zwei Tei­le ge­teilt, so­dass man nicht ge­zwun­gen ist, ins Tal hin­un­ter zu fah­ren, wo der Schnee zu­min­dest um die­se Zeit gru­se­lig ist!
La Grave*
Wir ha­ben es ver­säumt, den sich an­schlie­ßen­den Schlepp­lift auf die Hö­he 3560 zu fah­ren, aber ich bin nicht si­cher, ob der über­haupt lief. We­gen des spür­bar grö­ße­ren An­drangs ist die Über­fahrt nach Les Deux Al­pes an Wo­che­n­en­den ge­schlos­sen. Mit ei­ner Ta­ge­s­kar­te La Gra­ve kann man dort oh­ne­hin nicht fah­ren. Sinn­voll ist nur die Lö­sung, sich das Spiel mit ei­nem 6-Tage-Ski­pass von der un­gleich grö­ße­ren Schwes­t­er­sta­ti­on aus an­zu­schau­en, was heu­te, 2020, aber auch nicht mehr geht.
La Grave*
Wir wer­den am En­de des Ta­ges vie­le Ski­fah­rer se­hen, die sich von den Gon­deln ins Tal brin­gen las­sen, ver­mut­lich we­gen des ex­trem schwe­ren Schnees im Tal, wie noch be­schrie­ben wer­den wird. Hier oben, auf 3200 m Hö­he, ist der Schnee da­ge­gen wun­der­bar pul­ve­rig und an­ge­nehm zu fah­ren. Auf den Nor­mal­rou­ten sieht man kaum Fah­rer mit ABS-Ruck­sä­cken. Und Hel­me sucht man, wie über­all in Frank­reich, bei Er­wach­se­nen eben­falls meist ver­geb­lich.
Les Deux Alpes *
Wer Tief­schnee liebt, kommt auf den Hö­hen voll auf sei­ne Kos­ten. Hier macht kei­ne Pis­ten­rau­pe den Schnee platt und es taut auch nicht, so­dass man nicht auf Eis­plat­ten trifft. Da­für sind al­lein die Glet­scher zu­stän­dig, die man, so man weiß wie, durch­aus be­fah­ren kann. Hier­für wer­den Füh­rer emp­foh­len. Die ört­li­che Ski­schu­le, die si­cher­lich nie An­fän­ger be­grü­ßen dürf­te, bie­tet ge­führ­te Ab­fahr­ten an in­klu­si­ve Equi­pe­ment für die Si­cher­heit. Die Prei­se er­schie­nen mir bei ers­ter Durch­sicht mo­de­rat.
La Grave*
Wenn man sehr ge­nau ist, muss man sa­gen, dass man, wenn man sich am Aus­stieg links hält, im obe­ren Ab­schnitt durch­aus über ei­nen Glet­scher ins Tal fährt, über den Gla­cier de Val­lon. Es ist je­ner Glet­scher, der auf den Fo­tos ein­drucks­voll sei­ne Spal­ten und Glet­scher­brü­che zeigt. Nach den GPS-Daten fährt man auf ei­ner Län­ge von et­wa 600 m über Eis.
Les Deux Alpes*
Wenn man kei­ne un­sin­ni­gen Ma­nö­ver voll­führt, ist man auf Ski­ern we­gen der gro­ßen Auf­la­ge­flä­che gut ge­gen Stür­ze in Glet­scher­spal­ten ge­schützt, aber ver­las­sen soll­te man sich dar­auf nicht. Auf die­ser Va­ri­an­te tut man gut dar­an, zu zweit un­ter­wegs zu sein. Die an­de­re Va­ri­an­te, die an der Berg­sta­ti­on mit ei­nem klei­nen blau­en Pfeil als «Re­tour la Gra­ve» aus­ge­wie­sen ist, geht gar nicht über Glet­scher. Sie ist in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den mit Weg­zei­chen mar­kiert und ist die ein­fa­che­re Va­ri­an­te, ins­be­son­de­re was die Durch­que­rung des Wal­des be­trifft.
La Grave*
Die Va­ri­an­te via Val­lon de Chan­cel er­laubt zu­dem ei­ne Rast an der gleich­na­mi­gen Hüt­te. Wir ver­zich­ten dar­auf, ma­chen aber ein Fo­to. Die Hüt­te ist an den Hang ge­baut und nur da­durch zu er­ken­nen, dass es hier die be­rühm­ten ro­ten Fang­net­ze gibt. An­de­rer­seits kommt man von die­ser Rou­te aus nicht mehr an die Mit­tel­sta­ti­on, die als Pey­rou d'Amont im Lift­plan ver­zeich­net ist.
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Die Va­ri­an­te, die mit der Fahrt über den Glet­scher be­ginnt, kann man über Chal­vachè­re rou­ten, wo­mit man sich ge­fühlt ei­ner grö­ße­ren La­wi­nen­ge­fahr aus­setzt, weil man nä­her an den Hän­gen der La Mei­je (3983 m) vor­bei fährt, an­de­rer­seits den Wald kom­plett um­run­det, was, wie die fol­gen­den Bil­der zei­gen, durch­aus sei­nen Reiz hat. Denn wenn man nicht den wei­ten Bo­gen fährt, en­det man un­wei­ger­lich im Wald, der zu­neh­mend dich­ter wird, bis man nur noch durch wag­hal­si­ge Ma­nö­ver, Spitz­keh­ren und seit­wärts ab­rut­schen un­ter den tief hän­gen­den Äs­ten durch­kommt.
Les Deux Alpes*
Der Weg durch den Wald von der Sta­tion Pey­rou zur un­te­ren Mit­tel­sta­ti­on über­win­det 600 Hö­hen­me­ter und dürf­te da­mit die längs­te Wald­pas­sa­ge sein, die ich je­mals un­mar­kiert ge­fah­ren bin. Dass man an den Ab­hän­gen al­lein ge­las­sen wird, ist auch nicht rich­tig. Zwar sucht man Fang­zäu­ne ver­geb­lich, aber an kri­ti­schen Stel­len sind Dräh­te ge­spannt, die, da­mit man nicht hin­ein rast, mit Lap­pen und Lum­pen be­hängt wur­den. Bei Ne­bel, ge­gen den man im Wald ja be­kannt­lich im­mer noch am bes­ten ge­schützt ist, möch­te ich hier trotz­dem nicht un­ter­wegs sein.
Les Deux Alpes*
Hat man den fins­te­ren Wald im we­sent­li­chen hin­ter sich und wen­det sich an der un­te­ren Sta­tion nach rechts, so kommt man in den Be­reich der un­mit­tel­ba­ren Tal­ab­fahrt. Auch die­ser Part ist nicht oh­ne, er­reicht aber im Schwie­rig­keits­grad kei­ne nen­nens­wer­ten Hö­hen mehr. Ir­gend­wie ist hier al­les ein­fa­cher, auch wenn man im­mer noch zahl­rei­che Hin­ter­nis­se um­kur­ven muss. Die Her­met­ji von Zer­matt wird uns we­ni­ge Ta­ge spä­ter im un­te­ren Teil här­ter vor­kom­men. In Erin­ne­rung bleibt viel­leicht noch der sehr kur­ze Zwi­schen­an­stieg hin­ter ei­ner klei­nen Brücke am En­de des Wal­des.
La Grave*
Zu­rück auf lich­ten Wie­sen be­mer­ken wir zu spät, dass sich un­ter dem schmut­zi­gen Schnee ein un­de­fi­nier­ba­rer Melm ver­birgt. Be­reits nach we­ni­gen Me­tern fah­re ich mich so fest, dass ei­ner der bei­den Ski tief im schwe­ren Schnee ver­sinkt. Klack, klack sa­gen die Bin­dun­gen und ich kann mich da­von über­zeu­gen, dass Tief­schnee­bän­der gar nicht so übel sind, auch wenn die Ski hier nie­mals ver­lo­ren ge­gan­gen wä­ren.
La Grave*
Die­sem letz­ten Sturz für heu­te fol­gen kei­ne Auf­se­hen er­re­gen­den St­unts mehr. Kom­plett fer­tig und durch­ge­schwitzt bis auf den Grund er­rei­che ich die Brücke an der Ro­man­che. Ein an den Baum ge­na­gel­tes Schild be­sagt, dass es ei­nen Wasch­sa­lon im Orts­zen­trum gä­be. Es muss al­so Leu­te ge­ben, die mei­ne Lei­den an die­sem Berg ge­teilt ha­ben. Von der Brücke aus geht es dann zu Fuß wei­ter.
La Grave*
50 Hö­hen­me­ter Auf­stieg sagt die Kar­te, höchs­tens 30 mei­ne Ein­schät­zung und der GPS-Emp­fän­ger. Auf dem Weg nach oben durch den Schnee füh­le ich ei­nen hef­ti­gen Stich im Ober­schen­kel wie bei ei­ner Zer­rung, der aber nach ei­nem kur­zen Halt wie­der ver­schwin­det. Die­sem Ski­ge­biet soll­te man sich nur nä­hern, wenn man sich ent­spre­chend vor­be­rei­tet hat. Die Ab­fahr­ten von La Gra­ve kos­ten je­de Men­ge Kraft! Da wir kei­ne Un­ter­kunft im Ort fin­den, be­las­sen wir es bei dem ei­nen Ski­tag. Die Ski­sa­fa­ri 2013 geht wei­ter.