Paris 2024
Radtour Bonn-Paris-Maisse-Bonn
Tag 11: Guignicourt-Douzy le Lac
Um 8:30 Uhr verlasse ich den Camping du bord de l'aisne von Guignicourt. Zunächst fahre ich, streng der Route folgend, über einen gut geschotterten Weg entlang der D 925 bis Menneville, dann nehme ich die ungleich schnellere Straße. Bei Évergnicourt biege ich ab nach Avaux und weiter nach Vieux-lès-Asfeld. Kurz vor dem Ort, hinter einer Brücke, geht es steil bergab zum Canal Lateral à l'Aisne, wo mir erstmals ein Lastkahn auf dem Kanal begegnet.
Zwischen Pont Arcy und Vailly-sur-Aisne, von meiner Route aus weiter westlich gelegen in Richtung Soissons, wird eine Tour von 10 km Länge beworden, die Radfahren auf einem «Chemin de Halage» (Leinpfad) ermöglichen soll. Manchmal findet man diese Bezeichnung entlang der Kanäle, meist ist aber die übergeordnete Bedeutung verzeichnet und auch ausgeschildert. Ich folge demnach dem Voie Verte Sud Ardennes.
Bis Rethel geht alles gut, dann fahre ich Depp aber nicht über die eigens für mich angelegte Fahrradbrücke über den Kanal sondern einfach geradeaus. Ich treffe auf eine freundliche Dame, die mir den Weg explizit nicht ans Herz legt. Er sei sehr schmal und ... was dann folgt soll mir französische Ausdrücke für «unwegsam», «verspurt» und «unpassierbar» nahebringen, aber deren Bedeutung kenne ich erst jetzt. Ich gerate auf eine Piste der übelsten Sorte, was ich meiner Frau natürlich nicht erzählt habe.
Ich hatte vor der Tour neue Turnschuhe fürs Radfahren erworben: «Schöne weiße Schuhe», wie es meine Frau ausdrückte. Aber auf diesem Weg befindet sich eine Art «Tor zur Hölle». Ich sehe die Stelle und steige ab. Rechts und links einer klitzekleinen Senke voller Wasser gibt es einen Tritt für die Füße. Ich schiebe das Rad durch die Pfütze, aber es versinkt bis zu den vorderen Satteltaschen im Schlamm. Bei dem Versuch, das Rad wieder herauszuziehen, rutscht einer meiner Füße ab und versinkt mit dem Rad. Beim Versuch, Rad und Schuh aus dem Wasser zu bergen, rutscht auch der zweite Schuh hinein, was ich meiner Frau schon mal gar nicht erzählen kann.
Relativ früh gegen 12:15 Uhr mache ich noch am Canal Lateral à l'Aisne Mittagspause. Dabei nehme ich mich auch noch mal der Zuleitung zum Gleichrichter an. Nachdem ich den Stecker ebenfalls mit Gewebeband an der Metallkonstruktion zwischen Lenkertasche und Lampenbefestigung fixiert habe, kann ich feststellen, dass der Gleichrichter wieder Strom an den Pufferakku abgibt und damit, auch bei langsamer Fahrt, wieder zuverlässig Strom erzeugt. Das Ganze ist etwas frickelig und die Leistung wird an den Folgetagen nicht mehr zu 100% erreicht, aber ich komme wieder ohne Sorgen über den Tag.
Bis Semuy folge ich dem Canal Lateral à l'Aisne, dann biegt der Canal des Ardennes nach Nordosten ab. Ich hatte auf dem Höhenprofil bereits zuvor eine seltsam gleichmäßige Steigung von 70 Höhenmetern gesehen, konnte mir aber keine Reim darauf machen, wie diese zustandekommt. Das Bild belegt eindrucksvoll dieses Phänomen: Wenn man genug Schleusen dicht hintereinander baut, ergibt sich eine für einen Kanal gewaltige Steigung. Jedes Häuschen ist ein Wärterhäuschen, heute nicht mehr benutzt, was hier drei Schleusen auf einem Foto bedeutet.
Auf dem Weg entlang der Schleusen begleitet mich eine Familie mit zwei jugendlichen Mädchen. Einem sieht man an, dass es lieber mit seinem Freund schmusen würde als sich hier heraufzuquälen, das andere fährt zügig. Der Vater fährt allen voran. Die Mutter bildet die Nachhut und hält den Verkehr auf. Sie ist sichtlich frustriert, als sie von einem alten Knacker mit Schwerlastrad überholt wird. Allein dass ich fotografiere verhindert ein schnelleres vorankommen meinerseits. In le Chesne verliere ich sie aus den Augen.
Bis Malmy, kurz vor Chémery-sur-Bar, folge ich dem Kanal, dann geht es über eine sehr kleine Nebenstraße nach Bulson. Wie in Malmy steht das Ortsschild wieder auf dem Kopf. Der Anstieg nach Bulson ist steil und überwindet etwa 130 Höhenmeter, die Abfahrt nach Haraucourt entschädigt dafür. Im Ort geht ein Fahrradweg nach Remilly-Aillicourt ab, wo ich erstmals wieder auf die Meuse (Maas) treffe. Die D 4 bringt mich zügig zum Camping le Lac, der an einem Badesee liegt. Gegen halb sechs treffe ich dort ein. Das Smartphone kann ich an den Sanitäranlagen aufladen, die gerade vis à vis der Zeltwiese liegen.
Schuldig geblieben bin ich die Erklärung, was aus den weißen Turnschuhen geworden ist. Zwar führe ich ein weiteres Paar Turnschuhe mit, aber was hätte ich mit den weißen machen sollen? So verdreckt hätten meine Füße auch das zweite Paar versaut. Also ist die beste Lösung immer noch: «Nicht hinschauen und weiterfahren!»
Nachdem ich das Zelt aufgebaut habe, wobei sich eine der Zeltstangen leicht verbiegt, gehe ich duschen. Ich nehme die Turnschuhe mit. Ich entferne die Innensohlen, die ich separat reinige, lasse die Schuhe mit Wasser volllaufen und schütte sie dann aus. Nach etwa 10 Wiederholungen kommt kaum noch Dreck heraus. Ich lasse sie dennoch etwas «gewässert» stehen, was auch noch etwas bringt. Nach dem Duschen ziehe ich dann die Reserveschuhe an. In dieser Nacht werden die nassen Turnschuhe zumindest ansatzweise trocknen. Morgen fahre ich wieder damit und trockne sie per Sonne und Fußwärme. Soweit die Theorie.
Natürlich ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Ich habe keine Verpflegung mehr und muss etwas essen. Dazu suche ich das Restaurant neben dem Campingplatz auf. Die Speisekarte ist normal, allerdings finde ich darauf auch Muscheln. Mit 20 Euro für Moules au Roquefort kommen sie mir teuer vor, trotzdem nehme ich sie.
Vielleicht bin ich von der Südküste verwöhnt, aber diese Muscheln sind sehr speziell. Zunächst einmal ist der riesige Topf zur Hälfte mit Roquefort Sauce gefüllt, zum anderen sind diese Muscheln «bien cuit», also gut durch, was ich so auch noch nicht erlebt habe. Versuche ich einen Muschelinhalt mit der «Greifmuschel» zu fassen, zerfällt das Fleisch in viele Teile. Das macht es mir unmöglich, zügig zu essen. Zuviel Sauce ist auch keine gute Idee. Zu ersten Mal lasse ich Muscheln zurückgehen, weil es so mühsam ist, sie aus der Sauce zu fischen. Als ich gefragt werde, wie es geschmeckt hat, gebe ich das auch an.