Paris 2024
Radtour Bonn-Paris-Maisse-Bonn
Tag 7: Mit Google auf Abwegen zum Ziel
Am nächsten Morgen stecke ich zunächst das Smartphone in der Nähe der Rezeption ein, bevor ich mir Frühstück mache. Auch den GPS-Empfänger lade ich so wieder auf. Kurz vor der Abfahrt bezahle ich und trinke noch einen Café. Dazu gibt es nette Sitzplätze vor der Rezeption.
Ich lasse mich diesmal von Google nach Maisse leiten, aber wieder hadere ich mit der Routenwahl. Ich fahre über Brétigny-sur-Orge nach Marolles, wo die Bilder entstanden sind. Was zunächst nach einem gut befestigten Waldweg aussieht, wird bald immer schmaler und holpriger. Zudem ist die Streckenführung, wie ich erst am GPS-Plot sehe, nicht einmal näherungsweise geradlinig.
Als ich hinter Bouray-sur-Juine einen Kreisverkehr «an der zweiten Ausfahrt» verlassen soll, erkenne ich wieder nur einen Schotterweg, der sich vielleicht noch durch grobes Kopfsteinpflaster toppen lässt (was auf der Rückfahrt auch noch kommen wird). Ich ziehe die Notbremse und suche mir auf der Karte die Orte raus, die ich über Nebenstraßen erreichen kann. Zwar klingt mir eine Weile der Ausdruck «wenden!» in den Ohren, aber irgendwann ist wenden auch keine Option mehr und der Weg passt sich an meine Vorgabe an.
Kurz vor Cerny, bekomme ich noch einmal die Anweisung, einem exotischen Waldweg zu folgen, die ich ignoriere. Google kann halt nicht unterscheiden zwischen einem Rennrad und einem voll beladenen Tourenrad. Meine Bereifung ist, bisher ja auch tadellos, mit allen Wegen fertig geworden, aber die Gepäckträger haben ein Problem mit Wegen wie diesen.
Google findet zu allem noch einen besseren Weg. Auf der Karte mag sich das Ergebnis vielleicht sehen lassen können, aber unter den Rädern sieht grober Schotter eher ernüchternd aus. Man könnte nun meinen, dass die Option «Auto» statt «Fahrrad» das gewünschte Resultat liefert, aber so einfach ist es auch wieder nicht. Das Problem ist, dass man dann von Google über die beste Autostraße geführt wird, wo ein kleiner Umweg von einigen Kilometern durch einen guten Ausbauzustand und Zeitgewinn belohnt wird. Man kann diesen Trick daher erst kurz vor dem Ziel anwenden. Besser ist es, stur seinen Weg anhand der Karte zu verfolgen und die Wald- und Schotterwege zu meiden.
Ich fahre über D'Huison-Longueville und biege im Ort nach Vayres ab. Von dort sind es nur noch wenige Kilometer bis Maisse. Schließlich erreiche ich das Anwesen meiner Freunde gegen halb vier. Wenig später trifft meine Frau ein. Sie beschreibt die Fahrt mit dem Auto als unproblematisch.
Der Schlauch ist unwiederbringlich verloren, die letzte Reparatur hat bis zum Ziel gehalten, 200 km aber auch keine zwei Stunden länger. Als ich das Rad nach ausgiebiger Begrüßung abladen will, ist der Vorderreifen wieder platt.
Ich untersuche den Platten nicht mehr, denn meine Frau hat allerlei Werkzeug und Ersatzteile dabei, insbesondere ein Vorderrad mit einem neuen Dynamo (für alle Fälle), neue Mäntel für beide Laufräder und ein neues Zelt für die Rückfahrt. Dazu auch ein Voltmeter, das mir erlaubt, die Funktionstüchtigkeit des Nabendynamos zu ermitteln.
Das neue Zelt stelle ich probeweise im Garten auf. Das alte Haglöfs ist zwar prinzipiell immer noch intakt, aber an einer der beiden Apsiden schließt der Reißverschluss des Außenzelts nicht mehr ohne gutes Zureden. Zudem ist das neue ein Kuppelzelt, das zwar nur unwesentlich höher ist, wegen der Form aber gefühlt jede Menge mehr Platz im Innenraum bietet.
Besuch in Milly la Forêt
Im Vergleich zu den Nachbarorten gilt Milly la Forêt als touristisch. Es gibt einige kleinere Attraktionen im Umland, wie den Kletterpark Atout Branches, den Menhir du Paly oder das Schloss Courances, die wir im Rahmen einer unserer Frankreichreisen zusammen mit dem Ort beschieben haben. Keine Attraktion aber nostalgisch wertvoll: Straßenschilder aus Beton, wie sie mich vor 40 Jahren vor allem auf dem Land zuverlässig begleitet haben.
Wir trinken Café auf dem Marktplatz, der über eine sehenswerte Markthalle verfügt, die neu eingedeckt ist, kaufen Kuchen als Nachtisch für das Abendessen und fahren danach zum Supermarkt. Während meine Frau und mein Freund dort einkaufen, nutze ich die Gelegenheit, im angrenzenden Baumarkt Material für die Reparatur des Rades zu besorgen.
Reparaturen
Der Ausfall der elektrischen Anlage ist einem Kurzschluss am Busch und Müller E-Werk zuzuschreiben, der wiederum auf ein durchgescheuertes Kabel zurückgeht, das von einer sich langsam absenkenden Lenkertasche verursacht wurde. Der SON28 ist nicht kaputt. Diese Erkenntnis spart mir zwei Drittel der Reparaturkosten. Außerdem soll das wenig effiziente E-Werk ohnehin gegen einen Forumslader ausgetauscht werden, der aber nicht mal soeben zu beschaffen ist.
Die Mäntel, die meine Frau mitgebracht hat, 45 Euro pro Stück, sind schnell aufgezogen. Am Gepäckträger hinten fehlt eine Schraube auf der Ritzelseite, dafür habe ich Ersatz mit. Sie ist aber zu lang. Also muss mir der Gastgeber noch mit einer Eisensäge aushelfen. Eine erste Probefahrt endet dann fast im Gebüsch: An ein völlig unbeladenes Fahrrad bin ich einfach nicht mehr gewöhnt.
Das E-Werk von Busch und Müller mit der beschädigten, notdürftig reparierten Zuleitung, links unten. Da das Gerät ohnehin kaput ist, lege ich den fraglichen Draht frei. In einem Motorradgeschäft in der Nachbarschaft lötet man mir die Zuleitung wieder zusammen, aber mir ist klar, dass das im normalen Betrieb unter Spannung stehende Kabel wieder ausfallen wird. Daher baue ich mit einem Aluprofil eine Verstärkung für die Lenkertasche und befestige daran den Gleichrichter. Nachdem auch dessen Kabel mit Gewebeband fixiert ist, gibt es erstmals wieder zuverlässig Strom. Das Provisorium hält bis nach Bonn, auch wenn die Leistung beeinträchtigt ist.