Pillerhöhe und Reschenpass
Von Vollbremsungen und Wildschweinen
Ich
fahre den Zirler Berg, diese für Fahrräder gesperrte
16%ige
Abfahrt, die auch die neueren Bremsen vor große Probleme stellt,
verbotener Weise erst auf einer späteren Fahrradtour. Wer am Beginn
dieses Gefälles steht, der tut gut daran, mit sehr geringer
Geschwindigkeit
bergab zu fahren. Erst gegen Ende kann man es laufen lassen. Es is ein
freier Fall ins Tal mit vielen Haarnadelkurven.
*
Heil im Tale angekommen erlebe ich Autoverkehr wieder in seiner
übelsten
Form. Ich halte die Tortur nur kurze Zeit durch, dann breche ich aus -
senkrecht nach oben. Ich nehme die "Abkürzung" über die Pillerhöhe,
immerhin eine Auffahrt von 800 Höhenmetern. Auf der Abfahrt lasse
ich das gut beladene Rad rollen - und fahre fast auf einen vor mir
bremsenden
Wagen auf: Zwei Meter trennen mich noch von dessen Stoßstange, als
ich von Tempo 60 zum Stehen komme. Rechts der Straße geht es eine
steile Böschung hinab. Eigentlich reicht das heute in Puncto Abenteuer,
aber es gibt noch eines drauf in dieser Nacht, doch dazu später.
*
Es ist 21.30 Uhr und ich passiere die Grenze nach
Italien.
Ich habe die Passhöhe des Reschenpass erreicht. Hinter mir liegen
180 km und über 2200 Höhenmeter.
Für
meine Konstitution ist das genug. Die Carabinieri schauen mich
ungläubig
an, als ich im Dunkeln über die Grenze will, aber sie lassen mich
passieren. Ich schlage mich oberhalb und unweit der Straße in die
Wildnis, eine lange Nacht im Biwaksack. Es ist sternklar und warm -
trotzdem
schlafe ich unruhig. Gegen frühen Morgen (ich fahre wie so oft ohne
Uhr), höre ich ein deutliches Grunzen unmittelbar in der Nähe.
Doch bevor mich das Wildschwein ausgraben kann, zünde ich die Pfeife
an und vertreibe das Vieh nachhaltig.
*
Ein Kirchturm (nicht der im Wasser des Stausees) schlägt mir die
Stunden.
Um fünf Uhr stehe ich auf und fahre im Morgennebel den Reschenpass
hinab. Die Abfahrt ist so schnell, dass der Rollendynamo mit seiner
hohen
Spannung das Vorderlicht durchbrennt. Gegen 6 Uhr befinde ich mich in
Prad
und damit im Aufstieg zum Stilfser Joch. Das Wetter zieht langsam zu,
die
schönen Tage scheinen vorbei.