Après-Ski
Erinnerungen an 2006
«Après-Ski» ist einer der wenigen Begriffe, die uns noch bewusst aus der französischen Sprache überliefert und nicht von einem lapidar klingenden englischen Ausdruck verdrängt worden sind. Der Deutsche sagt heute «downloaden», «performen», «break through» (mit gelispeltem «th») oder auch «after show party», wobei das erste Wort mangels korrekter, weil unbetonter Aussprache auf dem «a» dann meist so klingt, als ginge es darum, ein besonders delikates Teil des Körpers vorzuzeigen. Mäßig begabte Radiomoderatoren machen das noch heute vor. Aber zurück zu Sölden und jenem Après-Ski Event, dem man sich auch dann nicht zu entziehen braucht, wenn man nicht auf wogende Menschenmassen im Bierzelt steht, dem Absacker auf der Berghütte.
Ich trinke nicht, wenn ich fahre, was nicht heißt, dass ich nicht ein Bier trinke oder auch zwei. Halt nur soviel, dass es das Fahrvermögen nicht gefährdet. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn die Hütten 700 und mehr Höhenmeter über dem Ort um 19 Uhr noch gut besucht sind und es die hereinbrechende Dunkelheit ist, die den Gast zum Aufbruch bewegt und nicht der Pistendienst, der die letzte Kontrollfahrt machen will. Es ist Freitag und ich habe diese Woche mit nur einem einzigen Sturz überstanden, dessen Folgen aber bereits sieben Monate danach fast vergessen sein werden. Ich nutze die Gelegenheit und kehre in der Obstlerhütte auf ein Bier ein, treffe Jungs aus der Gegend um Kassel, die alle gut 15 Jahre jünger sind und schon gut und lange Ski und Snowboard fahren, wie sie sagen.
Wir kommen ins Gespräch und quatschen auch über die Anfahrt, die sie in der letzten Nacht absolviert haben. Sie amüsieren sich köstlich, dass jemand mit Tempomat 130 ins Skigebiet aufbricht: «Wer bei uns 130 fährt, gilt als müde und wird umgehend vom Steuer entfernt!». Ich wende ein, dass es reicht, wenn man sein Snowboard im Griff hat und schnell ist auf der Piste. Diese Bemerkung führt jedoch nur zu einer Mischung aus Lachen und Mitleid. Also verabreden wir, noch ein Bier zu trinken und danach zusammen zu Tale zu fahren, da könne ich dann ja zeigen, ob ich mitkäme.
Ich weiß heute nicht mehr, ob ich ihnen erzählt hatte, dass ich am Vortag bei vergleichbaren Verhältnissen die Giggijochbahn auf dem Weg ins Tal abgehängt hatte. Manchmal täuscht man sich eben auch in Vergleichen; ich für meinen Teil bin an diesem Abend froh, dass ich Begleitung habe auf dem Weg zurück. Zumindest bis zur übernächsten Kurve auf der völlig zu Unrecht schwarz markierten Piste Nummer 22. Zwei Kurven nach dem Beginn des steileren Parts warte ich auf die Jungs: «Mit dieser Geschwindigkeit fahre ich mein Snowboard ins Tal - und auf so kurzen Pisten mache ich dabei keine Pausen.», erkläre ich in erstaunte Gesichter. Danach bin ich wieder allein, lasse den Sulzschnee unter dem Brett klatschen, husche über die Hügel. Die drei Jungs vertreten alle Stilrichtungen des Skifahrens: Carvingski, Snowboard mit harter Bindung und Snowboard mit weicher Bindung. Es nützt ihnen nichts. Sie holen mich nur noch ein, weil ich auf sie warte, und ich warte, weil ich mich an der Talstation von Ihnen verabschieden will. Auge in Auge. Eindrucksvoller kann eine Reise nicht zu Ende gehen.