Der Mont Ventoux
Mit dem Fahrrad auf den großen Berg der Tour de France
Links: Da sitzen die
Protagonisten des nächsten Tages auf dem Camping «Soleil de
Provence»
und betrachten im Abendlicht mit dem Feldstecher den großen Berg
der
Tour de France, den Mont Ventoux, 1909 m. Nicht jeder
14jährige
lässt
sich davon überzeugen, dass es ein echtes Erlebnis ist, einen Berg
dieser Kategorie mit dem Rad zu fahren. Aber Basti kann sich nach
anfänglichem Zögern dann doch dazu durchringen. Sicherlich
fühlt er
sich ein wenig verarscht, als ich ihm sage, dass er sich Brote für
den
frühen Morgen schmieren
soll, denn der Wecker stehe auf 5:45 Uhr. «Was, so
früh?».
Es ist
eher
ein Aufschrei als eine Frage. Aber ich kenne in dieser Hinsicht kein
Erbarmen. Wir werden auch nicht mit dem Auto nach Malaucène fahren,
dem Fußort des Berges. Statt dessen starten wir mit Licht vom
Campingplatz aus, was uns weitere 12 Kilometer und 150 Höhenmeter beschert.
*
Gegen 7:10 Uhr haben wir die ersten Brote in
Malaucène verdrückt und gehen in den
Anstieg über. Auf der Nordseite
des Berges sind es von hier aus fast 1600 Höhenmeter, allerdings
auf
einer exzellent ausgebauten Straße: Zumindest auf den ersten 1000
Höhenmetern sorgt ein asphaltierter Randstreifen für die Trennung von
Rad und Auto, was angesichts der großen Anzahl von Fahrrädern, die sich
hier Tag für Tag den Aufstieg hinauf quälen auch geboten ist. Dazu sind
die aktuelle Höhe und die durchschnittliche Steigung des nächsten
Kilometers auf den Kilometersteinen vermerkt.*
Wenn man regelmäßig Rad fährt, sind die
Strapazen einer solchen Bergtour eher gering. Ich spüre das besonders
stark im Rückblick auf die Pässe Aspin und Tourmalet,
die ich vier Jahre zuvor ohne Übung gefahren bin. Aber bei Kindern muss man auf
die Launen achten, die bei einem gewissen Grad an Überanstrengung sehr
schnell zur Aufgabe führen. Kommt dann hinzu, dass man noch genau einen Tag Zeit hat, einen so
denkwürdigen Berg wie den Mont Ventoux zu erobern, dann ist eine gewisse Vorsicht angebracht.
Auf den ersten Höhenmetern horche ich daher auf jedes seltsame Geräusch, das von
hinten nach vorne dringt, während mein Sohn, schwer atmend, unmittelbar
am Hinterrad hängt. Es dauert einige hundert Höhenmeter und erfordert
das Höherstellen des Sattels (um letztlich fast zwei Zentimeter), bis
sich Bastis Fahrweise normalisiert und ich alle Sorgen in dieser Hinsicht vergessen kann.*
Meine Rechnung geht in vollem Unfang auf: «Hier fahren ja nicht gerade viele Autos.», bemerkt mein Begleiter.
«Warte bis wir oben sind.», antworte ich. Und kaum haben wir den Turm vor uns,
da wird das ganze Ausmaß des Tourismus sichtbar. Vor und hinter uns suchen Autofahrer nach einem günstigen Parkplatz auf der
Bergspitze. Und zwei Minuten nach unser Ankunft gesellt sich noch unser Begleitfahrzeug hinzu. Bis dahin
haben wir im Schutz der Wälder und der frühen Tageszeit einen praktisch
ungestörten Aufstieg erlebt. Wir packen die Räder auf den VW-Bus,
machen noch schnell ein Bild in Richtung La Meije und Barre
des Ecrins und fahren über die selbe Strecke zurück ins
Tal, die wir gekommen sind. Unterwegs fotografiere ich die Ebene um
Vaison-la-Romaine, um jenen Blick im Bilde festzuhalten, der uns den
Morgen über so treu begleitet hat.