Held der Mo­matt ...

... oder wie ich ei­ne Eng­län­de­rin «ret­te­te».

Momatt - Momatt Ich wer­de nicht mü­de zu be­teu­ern, dass das Ski­ge­biet am Klein Mat­ter­horn der lang­wei­ligs­te Teil des Ge­biets sei. Da­von gibt es je­doch drei Aus­nah­men, und zwar al­le­samt Tal­ab­fahr­ten, na­ment­lich Furgg-Fur­ri, Mo­matt und Tief­bach1. Viel­leicht sind des­halb die Gon­deln ins Tal so voll, wenn ich mit oder oh­ne Beglei­tung abends ge­gen 17 Uhr zum Schwarz­see hin­auf fah­re, um ei­ne die­ser Pis­ten als «Ab­sa­cker» zu neh­men. Lei­der sind Mo­matt und Tief­bach um Os­tern oft ge­schlos­sen.

April 2004. Ge­gen 16:15 Uhr las­se ich mich gen Schwarz­see tra­gen, um zu­nächst (und zum al­ler­ers­ten Mal) die Tief­bach zu fah­ren und da­nach die Tal­ab­fahrt Furrg-Fur­ri. Mei­ne Frau und die Kin­der ha­ben die Se­gel für heu­te ge­stri­chen und so sit­ze ich wie­der mal al­lein in der Gon­del Zermatt und schaue de­nen zu, die am Seil ins Tal fah­ren. Wa­rum ich die Tief­bach ver­feh­le, weiß ich bis heu­te nicht, aber ich pas­sie­re sie und wäh­le die Mo­matt, die sich als die schwe­re­re der bei­den Ab­fahr­ten her­aus­stel­len soll. Mit dem Snow­board kom­me ich in dem tie­fen Schnee wun­der­bar klar und ha­be bald die en­ge­ren Stel­len er­reicht. Hier ist die Tou­ren­ab­fahrt nur noch zwei oder drei Bu­ckel breit und man muss, je nach Jahr, schon mal zwei Me­ter und mehr an ei­ner Bu­ckel­flan­ke her­un­ter rut­schen, um wei­ter zu kom­men. Da­zu kom­men Pas­sa­gen, die Fels­vor­sprün­ge um­ge­hen, und das al­les ein­ge­bet­tet in ein klei­nes, tro­ckenes Bachtal.

Zermatt - Momatt Ich bie­ge um ei­nen gro­ßen Bu­ckel - und an die­sen an­ge­schmiegt liegt ei­ne Ski­fah­re­rin und schaut mich an, als wä­re ich der Wol­per­tin­ger2 per­sön­lich (oder zu­min­dest ein Schnee­ha­se). Sie ist in den Drei­ßi­gern und spricht nur Eng­lisch, so­dass die fol­gen­de Kon­ver­sa­ti­on auf Eng­lisch statt­fin­det: «Geht es Ih­nen gut?», fra­ge ich sie. «Ich ha­be mein Selbst­ver­trau­en ver­lo­ren. Das ist nicht mei­ne Pis­te. Ich weiß nicht, wie ich hier hin­ein ge­ra­ten bin.»

Nun, ich weiß auch nicht, wie man trotz der 1200 über­großen, drei­spra­chi­gen Schil­der in die­se Ab­fahrt «ge­ra­ten» kann. Es ist nun mal die höchs­te Ka­te­go­rie, die hier oh­ne He­li­kop­ter fahr­bar ist. Wie dem auch sei; ich ver­si­che­re ihr, dass ich hin­ter ihr blei­ben wer­de: «Fah­ren Sie vor!». Als ich se­he, dass sie die Bu­ckel seit­wärts ab­stei­gen will, was uns ei­ne Mond­schein­ab­fahrt be­sche­ren dürf­te, mun­te­re ich sie auf: «Fah­ren Sie auf den Bu­ckel und dre­hen Sie dann!» Zu mei­ner Über­ra­schung klappt das so, als sei sie ab­sicht­lich in die Ab­fahrt hin­ein ge­fah­ren: «Wenn Sie Zermatt die­se Ab­fahrt ab jetzt je­den Abend fah­ren, kön­nen Sie sich enorm ver­bes­sern!», ru­fe ich ihr zu, als wir wie­der auf die Wei­ße Per­le tref­fen. Ich ge­be Gas, denn für die Ab­fahrt Furgg-Fur­ri ist es noch nicht zu spät. Und dies­mal ist au­ßer mir nie­mand mehr auf dem Weg nach oben.

Als ich die Da­me am nächs­ten Tag wie­der­se­he, ruft sie mir zu: «My he­ro!», zu deutsch et­wa «mein Held!». Das hat die­ser Ge­schich­te zu ih­rem Na­men ver­hol­fen.


1 Mo­matt und Tief­bach sind im ei­gent­li­chen Sin­ne kei­ne Pis­ten, son­dern nicht kon­trol­lier­te Tou­ren­ab­fahr­ten. We­gen ih­rer ge­rin­gen Brei­te und der un­be­re­chen­ba­ren Schnee­ver­hält­nis­se er­for­dern sie ein ge­wis­ses Fahr­ver­mö­gen. Bei ei­si­gen Ver­hält­nis­sen schwie­rig.
2 Der Wol­per­tin­ger ist ein schwer be­ob­acht­ba­res Berg­tier mit nicht nä­her spe­zi­fi­zier­tem Stock­maß. Er ist für die Al­pen, was der Ye­ti für den Hi­ma­la­ya ist. Al­ler­dings bin ich der fel­sen­fes­ten Über­zeu­gung, dass ich ein sol­ches Exem­plar be­reits un­ter­halb der Ro­ten Na­se ge­se­hen ha­be, lei­der an ei­nem Tag, an dem ich kei­ne Ka­me­ra da­bei hat­te.