Grindelwald/Wengen/Mürren
Historisches: Anekdoten aus der Urzeit
Anfang März 2003 suchen wir über Karneval noch kurzfristig ein preiswertes Quartier in einem
renommierten Skigebiet. Ich lasse mir von der Touristeninformation Grindelwald die
freien Zimmer durchgeben. Dabei treffen wir auf den Namen
«Marmorbruch», ein Berggasthaus, etwa 100
Höhenmeter über dem Ort gelegen. Und obgleich uns Frau Meyer warnt, dass wir bei den gegebenen
Schneeverhältnissen nur mit einem Allradfahrzeug hinauf kommen würden, buchen wir nach einem
herzlichen Telefongespräch drei Nächte dort (und noch eine zuvor im Alpenblick). Man
würde uns mittels Landrover abholen, versichert man uns - ein Service, der sich dann vor Ort vor
allem für die damals noch kleinen Kinder als große Attraktion erweist. Von unserem Quartier aus
haben wir nicht nur einen schönen Blick über das Tal, sondern liegen auch unter den östlichen
Abstürzen des Eigers, dem Eingang zur Gletscherschlucht.
Für unseren Mut, außerhalb des Ortes auf einem Berggasthof zu übernachten, werden wir durch eine
sehr individuelle Atmosphäre und mit einfachen, aber wohnlichen Zimmern in einem alten Holzhaus
belohnt. Am Morgen trifft der Blick auf die ersten Sonnenstrahlen am Männlichen. Abends hat man
ein romantisches Panorama vor den Fenstern des Restaurants. 2025 sind die Gastwirte noch dieselben.
Mit Grindelwald sind zahlreiche Erinnerungen verbunden. Meine Frau hatte hier ihren ersten Skiunfall mit Krankenhausaufenthalt, auch wenn nichts gebrochen oder gerissen war. Sie hatte, vor meiner Zeit als Skifahrer, in Lauterbrunnen in Hütten auf dem Campingplatz gewohnt, organisiert vom Skiclub Bingen. 2003 fahren wir erstmals gemeinsam in das Gebiet. Die Lawine, die weit ab der Pisten vom niedergeht, fotografiere ich 2005, dem letzten Jahr der analogen Fotografie in einem Skigebiet. Damals musste ich die Abzüge noch per Scanner digitalisieren.
Grindelwald selbst, also der Ort, ist uns immer als eine Ansammlung weit verstreuter Häuser
vorgekommen, die sich im Kern an der Hauptstraße entlang etwa 100 Höhenmeter ausdehnen, von
Grund im Westen bis zum First im Osten. Ansonsten bietet der Ort alles, was man
von einem Wintersportort erwartet, bis hin zu einem zentral gelegenen Reparaturservice für Ski-
und Snowboards, der uns u. a. über Nacht die ausgerissene Klemme einer Softbindung ausbohrt
und ersetzt. Da wir während des Aufenthalts im Marmorbruch abends im Quartier essen, lassen wir
einen Test der übrigen Gastronomie aus. Erwähnenswert sind das aromatische Käsefondue sowie die
üppigen Portionen, für die wir den Ausdruck «Meyerteller» geprägt haben.
Durch puren Zufall treffen wir 2003 auf eine Gruppe des Skiclub Bingen, der ein Zimmer auf der
Berghütte «Grindelwaldblick»
gebucht hat, was zunächst zu zwei gemeinsamen Skinachmittagen führt und zwei Jahre später
zu unserem ersten Skiurlaub auf einer Hütte. Damals konnte man noch an der Station Grund
für 5 Franken pro Tag über Nacht parken. Das Gepäck, das ohnehin schon in große Rucksäcke
gepackt war, kam auf die Bahn und wurde vom Hüttenwart abgeholt. Die Verpflegung war stets
gut, nur das Bier Marke Rugen trieb mich jeden Morgen mit überguter Verdauung aus
dem Bett.
Wenn man von den etwas beengten Verhältnissen einmal absieht, unter denen man lebt, wenn man mit
20 Personen in einem einzigen Zimmer schläft, in vier 5er-Betten, ist so ein Aufenthalt auf der
Hütte nur durch Luxus zu toppen. Wer es einmal am frühen Morgen gegen 8:00 Uhr auf die Piste
geschafft hat, vor dem liegen perfekt präparierte (oder je nach Wetter auch frisch verschneite),
unberührte Pisten und keine Wartezeiten am ersten Zug zurück hinauf zur Kleinen Scheidegg.
Malerisch die Lage im Angesicht der Eigernordwand, vom Bahnhof aus mühelos zu Fuß zu erreichen.
In den letzten Jahren wurde der Frühstücksraum später geöffnet, sodass ich vor der Abfahrt zum
ersten Zug kaum noch frühstücken konnte. Nach der Rückfahrt war das Frühstück abgeräumt. Sehr schade!
Der Hüttenurlaub, für den mein Sohn und ich die Rucksäcke so packen, dass wir fast das gesamte Gepäck auf einmal transportieren können, beantwortet mir auch die Frage, ob man einen voll beladenen Tourenrucksack mit dem Snowboard ins Tal abfahren kann. Es geht, wenn man hinreichend Erfahrung hat und auf den Hüftgurt verzichtet, der zu einem gefährlichen «Zappeln» des Rucksacks in Schulterhöhe führt. Skifahrer dürften die gleiche Erfahrung machen. Zwischen 2005 und 2010 verbringen wir ohne Unterbrechung die Fastnachtstage auf der Hütte.
Unser Ausflug 2003 zum Schilthorn war alles andere als ein Genuss. Unserer Tochter wird schlecht bei der Auffahrt nach Birg, sodass ich ihr im Lazarett erst einmal Sauerstoff verpassen lasse. Und auch der Sohn schlägt mit dem Snowboard so heftig hin, dass ich ihn für «Piz Gloria» nicht mehr gewinnen kann. Als ich schließlich alleine fahre, wird das Wetter zum Drama. Dabei wollte ich doch ein paar Bilder machen, die zeigen, wie schön und wie schwierig die Pisten hier oben sind. Dass ich 2970 m hoch bin, realisiere ich nicht. Ich frage mich auch, was an dieser einen Piste, die zudem sehr bald in einen für Snowboards blöden Ziehweg übergeht, schwarz sein soll. Zehn kurze Schwünge durch ein paar im Nebel stochernde Skifahrer - das war's. Danach zieht es so zu, dass ich die Hand am ausgestreckten Arm nicht mehr sehen kann. Eine Viertelstunde hocke ich mit anderen Skifahrern auf der Piste, laut sprechend um gehört zu werden, und lasse den schlimmsten Teil des Sturms vorüberziehen. In gleichmäßigen Bögen fahre ich ab, wobei ich außer der Pistenbegrenzung nichts sehen kann. Frau und Kinder verbringen den Nachmittag auf der Hütte.
Dem Satz unseres Sohnes, der nach fünf Tagen Training schließlich die für ihn magische
90-Stundenkilometergrenze denkbar knapp knackt, kann man kaum widersprechen: «Die
Lauberhornabfahrt besitzt mehr Schwierigkeitsgrade als manches Skigebiet». Leider
ist diese großartige Piste zur Zeit des Lauberhornrennens (Mitte Januar) nicht
befahrbar und nach Aussagen von schweizer Gästen in der Woche danach derart vereist,
dass man schon erheblichen Mut braucht, sich die Steilpassagen hinabzustürzen. Im
Februar 2007 gelingt mir mit einem sehr harten und gut präparierten Atomic
Firestarter Snowboard, das ich nur für diesen Fall mitgeführt habe, im insgesamt
dritten Versuch ein Ritt mit 78,91 km/h. Dabei ist die Piste in diesem
schneearmen Winter kaum zu präparieren und wesentlich weniger eben als bei den
ersten beiden Versuchen. In Zermatt werde ich kaum zwei Monate später dann Tempo 100 erreichen, mittels GPS
gemessen, allerdings auf viel längeren Streckenabschnitten.